Saatgut Landwirtschaft 2022/2023

6 Es ist so weit, die neue EU-Bio-Verordnung gilt – ein Versuch zur Beschreibung der neuen Realität Nach langenVerhandlungen zwischen Parlament, Agrarrat und Kommission und der coronabedingten Verschiebung um ein Jahr, trat am 01.01.2022 die neue EU-Bio-Verordnung (VO (EU) 2018/848) sowie die zugehörige Durchführungsverordnung (VO (EU) 2021/462) in Kraft. Damit soll die Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion hin zu einer ökologischen Wirtschaftsweise gefördert und die Bio-Landwirtschaft gestärkt werden. Neu ist, neben vielen bekannten Regelungen, dass die EU die bisher in Deutschland praktizierte Regelung für Saatgutmischungen allgemein übernommen hat. Dies bedeutet, dass Mischungen mit einem Mindestanteil von 70 % Bio-Komponenten als BioMischungen unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden können. Dies ist erst einmal ausdrücklich zu begrüßen, da dadurch Mischungen mit hoher Artenvielfalt im Bio-Landbau weiterhin möglich sind. Bekanntermaßen sind bisher noch nicht alle gewünschten Arten aus biologischer Vermehrung verfügbar. Allerdings birgt die Neuregelung auch einige Fallstricke für die Landwirte. Bisher konnten die Landwirte diese Mischungen beim Händler ihres Vertrauens kaufen und einsetzen, ohne sich Gedanken über die Genehmigung machen zu müssen. Die Hersteller der Mischungen mussten bei ihren Kontrollstellen die nötigen Genehmigungen dafür einholen. Ab jetzt müssen die Landwirte nun selbst für den konventionellen Anteil in den von ihnen gewünschten Mischungen den oder die Anträge dafür in der OXS-Datenbank stellen und einholen. Dabei kommt der Unterscheidung zwischen Arten der „Allgemeinen Genehmigung“ und den Arten mit „Einzelgenehmigung“ eine besondere Aufmerksamkeit zu. Dies wird sicher nicht nur für viele Landwirte eine Herausforderung, sondern auch für die Hersteller der Mischungen. Letztere müssen sich bei Arten mit „Einzelgenehmigung“ die Genehmigungen der Landwirte vorlegen lassen, um Mischungen mit diesen speziellen konventionellen Anteilen produzieren zu können. Dies wird zu Verzögerungen bei der Aussaat und/ oder extremen Preissprüngen (hervorgerufen durch Kleinstmischungen) führen. Ein Weg aus dieser Misere könnte für die Saatgutproduzenten darin liegen, nur noch Mischungen mit 100 % Bio-Anteil anzubieten. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass dann leider nur artenarme Mischungen (am Bsp. Niederlande) angeboten werden. Eine Alternative und Hoffnung auf artenreichere Mischungen zeichnen sich jedoch ab. Vorausgesetzt die LÖK (Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau) der Bundesländer beschließt, Arten der „Allgemeinen Genehmigung“ für ein Jahr in dieser Kategorie zu führen, besteht damit die Möglichkeit diese unkompliziert vom Landwirt genehmigt zu bekommen. Die Hersteller von Mischungen könnten dann die Arten der „Allgemeinen Genehmigung“ in ihren Standardmischungen einsetzen und diese Mischungen so produzieren, dass diese prompt für den Landwirt verfügbar sind. Klar geregelt durch die LÖK ist ein Punkt (gestützt durch Artikel 60 der neuen VO): Mischungen, die in 2021 unter der alten Regelung der VO (EG) 834/2007 und der VO (EG) 889/2008 produziert wurden, dürfen auch in 2022 an die Landwirte verkauft und ohne erneute Genehmigung durch die Kontrollstellen durch die Landwirte ausgesät werden. Alle Landwirte sollten beim Erwerb dieser Mischungen, die entsprechenden Papiere für diese Lieferungen, inklusive der Saatgutetiketten, sorgfältig aufbewahren, um bei der jährlichen Bio-Kontrolle diese vorlegen zu können. Neu ist auch, dass Saatgut von Umstellungsflächen (UWare) nicht mehr Bio-Saatgut (A-Ware) gleichgestellt ist. Vielmehr wird künftig U-Ware erst dann eingesetzt werden können, wenn die A-Ware nicht mehr verfügbar ist. Auch hierdurch erhofft sich die EU-Kommission mit der neuen Verordnung eine Stärkung des Bio-Anbaus. Was sie dabei nicht ausreichend berücksichtigt hat, ist der Umstand, dass viele Saatgutvermehrer die umstellungswillig sind, dadurch vom Markt abgeschnitten werden. Stellen sie ihren Betrieb um, müssen sie befürchten, dass ihr erzeugtes Saatgut nur konventionell verkauft werden kann. Diese Regelung wird nicht nur für Versorgungslücken führen, sondern auch die Bereitschaft zur Saatgutvermehrung bei den Landwirten verringern. Landwirte nach 3 Jahren der Umstellung wieder neu für die Saatgutvermehrung zu gewinnen und langfristig zu binden, wird für die Saatgutunternehmen extrem schwierig.

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